Die Entscheidung des Obersten Gerichtshof in den USA ist heute gegen die Patentierbarkeit menschlicher Gen-Patente gefallen: Menschliche Gene können fortan nicht mehr patentiert werden. Die Patente auf die sog. „Brustkrebsgene“ sind damit hinfällig. Konzerne wie Myriad Genetics, die sich die Gene in den 1990er Jahren sowohl in den USA wie auch in Europa patentieren ließen, können unsere menschlichen Gene zumindest in den USA jetzt nicht mehr besitzen. Europa folgt der Entscheidung hoffentlich bald.
Das teilte Breast Cancer Action heute mit und bedankt sich für den Widerstand, den so viele jenem Unternehmen entgegenstellten, das die Kontrolle über unsere Gesundheit übernehmen wollte. Myriad Genetics Patente auf die menschlichen „Brustkrebs“-Gene BRCA1 und BRCA2 – und nicht nur diese Myriad-Patente, sondern Patente auf alle anderen menschlichen Gene – sind damit künftig nicht mehr möglich. Es ist ein enormer Fortschritt für die Gesundheit der Frauen und für die Gesundheit aller Menschen.
Inhalt
Was bedeutet diese Gerichtsentscheidung für die Frauen, die meinen, dass sie von erblichem Brustkrebs betroffen sein könnten?
- Mehr Frauen erhalten jetzt besser Zugang zu für sie wichtigen Informationen. Besonders auch materiell schwächere Frauen, denen dies bisher vorenthalten war, erhalten jetzt ebenfalls Zugang zu Tests.
- Es werden neue, bessere und billigere Gentests zur Verfügung stehen.
- Frauen haben die Möglichkeit, eine Zweitmeinung einzuholen oder Test zu wiederholen, wenn dies notwendig erscheint.
- Das Myriad-Monopol ist zumindest in den USA gebrochen, andere Labors dürfen die Tests nun ebenfalls durchführen.
Keine Monopolisierung für einzelne Konzerne
Kein einzelnes Unternehmen kann die gesamte Forschung, Diagnostik und Therapie von Krankheiten und Gesundheitsstörungen, die mit einer genetischen Veränderung einhergehen, monopolisieren.
Breast Cancer Action, unsere „große Schwester“, die wegweisend für uns in vielerlei Hinsicht ist, war die einzige Brustkrebsorganisation unter den KlägerInnen in diesem Fall. Sie hat die American Civil Liberties Union (ACLU) – jene Bürgerrechtsorganisation, für die die im Mai 2013 verstorbene Barbara Brenner, ehemalige Geschäftsführerin von Breast Cancer Action, bis 2010 vor ihrer Brustkrebserkrankung lange Jahre gearbeitet hat – unterstützt bei der Klage gegen Myriad Genetics, weil sie das Monopol nicht tatenlos dulden wollte. Breast Cancer Action weist in seiner aktuellen Presseinformation darauf hin, dass dieser Erfolg zeigt, dass die Macht der Konzerne nicht unüberwindbar ist und die Interessen von Menschen vor Profitinteressen stehen. Der heutige Erfolg zeige aber auch, was Zusammenarbeit bewirken könne, um die Situation von Frauen im Zusammenhang mit Brustkrebs zu verbessern.
Veränderung ist möglich, wenn Viele sich verbünden und sich vehement für ihre Interessen einsetzen. Wir werden Breast Cancer Action weiterhin folgen und diese einmalige und wichtige Organisation auch zukünftig unterstützen.
Weiterlesen
Breast Cancer Action
American Civil Liberties Union
Mehr zu den Genpatenten bei uns
Die Befreiung der Brustkrebsgene: Keine Profite auf Leben & Tod!
Die Befreiung der Brustkrebsgene (2): Patentanspruch auf BRCA-Gene abgewiesen
Die Befreiung der Brustkrebsgene (3): CBS-Berichterstattung zum “Patent-Urteil”
Myriads BRCA-Patente
Vandana Shiva: Die Kontrolle von Konzernen über das Leben
Bildnachweis: © Breast Cancer Action: Menschliche Gene gehören Menschen, nicht Konzernen
Die amerikanische Vereinigung für Molekular-Pathologie hat gegen die Firma Myriad Genetics geklagt. Die Fragestellung, über die das Gericht zu entscheiden hatte, war, ob Patente auf BRCA-1/2 Gene legal bzw. möglich sind. Um es in einen Kontext zu stellen: Wir alle tragen diese Gene in uns. Mitarbeiter der Firma Myriad haben eine Mutation in diesem Gen identifiziert (s. dazu auch Mary-Claire King), die es nur bei wenigen Menschen gibt. Wenn diese Mutation vorhanden ist, erhöht sie das Risiko dieser Person, verschiedene Krebserkrankungen zu entwickeln, darunter Brustkrebs und Eierstockkrebs, aber auch solche Krebserkrankungen wie Pankreaskrebs, Prostatakrebs und Hautkrebs (Melanom). Abgesehen von der Tatsache, dass unsere Gene so zum Subjekt eines Patents geworden sind, hat die Firma Myriad damit anderen Firmen die Arbeit mit den Genen verunmöglicht und das Fehlen von Konkurrenz hat den hohen Preis für den Gentest möglich gemacht. Die einhellige Meinung das Gerichts (Richter Thomas) war nun:
„A naturally occuring DNA segment is a product of nature and not patent eligible merely because it has been isolated.“ (Wir stellen fest, dass ein natürlich vorkommendes DNA-Segment ein Produkt der Natur und nicht nicht patentierbar ist, weil es isoliert wurde. …), zitiert nach der engl. Wikipedia.
Die Myriad Aktie ist nach der Entscheidung des Obersten Gerichts (Supreme Court) in den USA angestiegen. Warum? Richter Thomas erklärte es im Weiteren: „Aus folgenden Gründen erklären wir, dass ein natürlich vorkommendes DNA-Segment Produkt der Natur und nicht patentierbar ist, weil es isoliert wurde, aber cDNA ist patentierbar, weil sie in der Natur nicht vorkommt.“ cDNA, (für complementary DNA) wird synthetisch hergestellt. So wie wir es verstehen, wird für die Herstellung von cDNA aktuell DNA benutzt und es werden Teile entfernt, die eine Testung auf eine Genmutation möglich machen. Auf jeden Fall bleiben hinsichtlich dieser neuen Gesetzgebung und den Folgen für Forschung und Patentierung im Allgemeinen viel mehr Fragen offene, als zunächst erhofft. Die Myriad-Genpatente wären in den USA 2014 – nach 30 Jahren – sowieso ausgelaufen. In Europa haben die Patente aktuell noch rund 10 Jahre lang Gültigkeit.
Kritischer sieht auch das Gen-ethische Netzwerk die Entscheidung des Obersten Gerichts in den USA: „Mit den Patenten auf cDNA und weiteren zahlreichen, rein methodischen Patenten sieht Myriad sein Geschäft mit der Vermarktung von BRCA-Test gesichert. Erst die nähere Auswertung des Urteils und der Patentansprüche wird zeigen, ob die Entscheidung das Myriad-Monopol auf die BRCA-Diagnostik in den USA tatsächlich einschränkt.“ Gen-Patente: Teilerfolg mit großem Haken (Mit vielen weiteren Quellen …)
Karuna A. Jaggar kommentierte die Entscheidung des Obersten Gerichts der USA im BCAction Newsletter “Source” v. 27.06.2013 als Verringerung von Konzernrechten über die menschliche Gesundheit, eine Entwicklung, die sie als positiv für die Rechte von Frauen einstuft. Mit dieser Entscheidung seien überdies auch alle anderen Patente auf Leben, bei Pflanzen, Tieren und Menschen, hinfällig geworden.
Vorteilhaft seien jetzt:
• verbesserte Zugangsmöglichkeiten / Finanzierbarkeit der Tests
• verbesserte Möglichkeiten der Zweitmeinung, speziell für Frauen, die in Erwägung zögen, sich Operationen zur Entfernung von gesunden Organen ihres Körpers zu unterziehen. In diesem Zusammenhang verweist Jaggar auch darauf, dass der mehrere Tausend Dollar teure Myriad-Test nie einer FDA-Prüfung durch Experten unterzogen worden sei, denn die FDA regelmentiere Gentests nicht. Diese wahre Horrorvorstellung, dass Frauen sich freiwillig verstümmelnden Operationen unterziehen, während womöglich die Testergebnisse fehlerbehaftet sein könnten, mag man gar nicht denken.
• verbesserte Möglichkeiten für Labore, Kliniken, ForscherInnen und Ärzte, ohne Angst auf Patentschutzverletzungen an Genen zu forschen.
Quellenangabe: From the Executive Director: Our Landmark Victory at the Supreme Court von Karuna Jaggar
Weiteres s. auch BCAction Webinar zu Genpatenten